2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN

5. Dezember 2014

Eph 1,3-6.15-18

Evangelium nach Johannes (1,1-5.9-14)

Gott hat gesprochen. Gott hat schon oft gesprochen und spricht immer wieder. Er spricht durch seine Schöpfung, „das Werk seiner Hände“, wie sie die Bibel nennt. So wie ein Künstler etwas von sich selbst in sein Kunstwerk hineinlegt und wir deswegen – wenn wir sein Kunstwerk aufmerksam bewundern – etwas vom Künstler erfahren können, so ist es auch mit der Schöpfung und mit Gott.

Gott hat auch durch Menschen, durch Propheten gesprochen. Ihre Erfahrungen mit Gott sind in der Bibel festgelegt. Aber Gott hat auf eine unüberbietbare Weise in und durch Jesus von Nazareth gesprochen, so dass er sogar das Wort Gottes, die „Selbstmitteilung Gottes“ genannt wird.

Gott hat zu uns gesprochen. Er hat uns angesprochen. Das hat für uns Konsequenzen – vorausgesetzt, wir hören zu und wir versuchen zu verstehen, was er uns sagen will. Denn wenn wir nicht zuhören ist es, wie Johannes sagt: „Er kam in seine Schöpfung, doch seine Geschöpfe, die Menschen wiesen/weisen ihn ab.“ Dann ist Gott machtlos. Er respektiert ja unsere Freiheit.

Wir hören nur wirklich zu, wenn wir unser Herz für Gott öffnen, ihm einen Vertrauensvorschuss geben, unser Inneres von ihm ansprechen und berühren lassen. Dann kann Gottes Wort uns betroffen machen, indem er in uns Gefühle der Freude aber auch der Verwirrung aufruft. Gottes Wort kann mich glücklich machen, aber es kann mich auch durcheinanderbringen, mich aufwühlen: Was will er wirklich von mir? Traue ich mich das zu tun, wozu er mich einlädt?

Wenn Gott sich an uns wendet, Kontakt, Beziehung zu uns sucht, dann dürfen wir uns selbst ganz neu und anders sehen: Wir bekommen eine neue Würde, einen unverlierbaren Wert. Wir sind wichtig – nicht von uns aus, sondern weil Gott uns wichtig nimmt.

Wir sind also nicht grundsätzlich, unserem Wesen nach, schlecht und sündig, verdorben und verloren – wie man Jahrhunderte lang gepredigt hat. Aber wir sind unvollkommen, erneuerungsbedürftig, in Entwicklung, mit unseren guten Seiten und mit unseren Schwächen und Fehlern – und trotzdem liebens-würdig, d.h. würdig, geliebt zu werden. Wir sind wie Kinder im Wachsen, wir sind Gottes Kinder, unterwegs erwachsen zu werden, d.h. ganz Mensch zu werden, so wie Gott uns gerne hätte. Kinder können lieb sein, aber auch sehr garstig – und trotzdem werden sie von ihren Eltern geliebt. Wir sind Kinder, Söhne und Töchter Gottes – von ihm geliebt.

Das ist eine unglaubliche Liebeserklärung Gottes an uns: Wir sind seine Söhne und Töchter, seine Kinder, für die er Vater und Mutter sein will. In Jesus hat er es ausgesprochen, dass er uns ausgesprochen gern hat. Wir sind Gott so viel wert, dass er uns sein ganzes Herz und sein ganzes Licht schenken will: Er will alle Finsternis aus unserem Leben vertreiben.

So hat Gott gesprochen und das hat für uns Konsequenzen: Ich muss nicht dauernd versuchen mich selbst zu bestätigen und beweisen, dass ich wer bin. Ich brauche meinen Mitmenschen nicht zu zeigen, wie gut ich bin, ja dass ich sogar besser bin als sie. Ich kann mich selbst annehmen, weil ich mich grundsätzlich angenommen weiß, als Kind, Sohn, Tochter Gottes. Ich kann auch einen Mitmensch annehmen, weil ich weiß, dass auch er von Gott angenommen ist. Das ist der Grund für die tiefste Menschenwürde, die uns niemand nehmen kann.

Gott hat gesprochen, hat sich uns zugewandt, um uns dieses Bewusstsein zu vermitteln, dass wir seine von ihm geliebten Kinder sind. Muss ich mich dann dieser Liebe nicht würdig erweisen, indem ich versuche meine Beziehungen zu den anderen Söhnen und Töchtern Gottes, zu meinen Geschwistern, harmonischer und menschlicher werden zu lassen? Und muss dann in mir nicht dieses tiefe Bedürfnis wirken, Gott stets mehr zu suchen, meine Beziehung zu ihm intensiver zu machen, auf ihn zuzugehen und mich als sein Kind in seine Arme zu werfen? In ihm geborgen zu sein?

Dann verstehe ich die Worte der Bibel: „Aus Liebe hat er uns dazu bestimmt, seine Söhne und Töchter zu werden – durch Jesus Christus und im Blick auf ihn“ - „Er öffne euch das innere Auge, damit ihr seht, welche Hoffnung er euch gegeben, zu welch großartigem Ziel er euch berufen hat.“

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